Kleine Zeitung

Wie im U-Ausschuss strategisch gestritten wird

Wie im U-Ausschuss strategisch gestritten wird
Andreas Hanger (ÖVP), Yannick Shetty (Neos) und Christian Hafenecker (FPÖ)
Andreas Hanger (ÖVP), Yannick Shetty (Neos) und Christian Hafenecker (FPÖ)

Eine große Schlammschlacht schien nahezu sicher. Im November – rund zehn Monate vor der Nationalratswahl – hatten sowohl ÖVP als auch SPÖ und FPÖ jeweils einen Untersuchungsausschuss angekündigt. Dass das parlamentarische Kontrollinstrument auch als Bühne für parteipolitisches Hickhack taugt, ist bekannt. So nah am Wahlkampf, befürchteten viele, könnten die Auseinandersetzungen besonders schmutzig werden.

Zur Erinnerung: Während SPÖ und FPÖ im Cofag-U-Ausschuss eine mögliche Sonderbehandlung ÖVP-naher Milliardäre wie René Benko und Stefan Pierer bei Coronahilfen und in Steuerangelegenheiten unter die Lupe nehmen, soll der von der ÖVP eingesetzte Rot-blaue-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss mögliche Verfehlungen in früheren SPÖ- und FPÖ-geführten Ministerien aufklären.

Im Cofag-Ausschuss wird wenig gestritten ...

Doch dann starteten im März die Befragungen zum Cofag-U-Ausschuss – und zwar überraschend ruhig. Befragt wurden vor allem Finanzbeamte, gestritten wurde kaum. Auch ausführliche Geschäftsordnungsdebatten, die Befragungen in früheren Ausschüssen in die Länge gezogen hatten, blieben aus. Schnell war klar, dass Benko im Mittelpunkt stehen würde – wenige Tage nach Ankündigung des U-Ausschusses schlitterten erste Teile seines Signa-Imperiums in die Pleite. Wie Benko Steuerschlupflöcher ausnutzen konnte, wollten die Abgeordneten wissen, und wieso die Finanzverwaltung dem Treiben nicht früher einen Riegel vorgeschoben hatte. Um die Kanzlerpartei ging es höchstens indirekt. Die ÖVP hatte also wenig Grund, sich angegriffen zu fühlen. Denn auch wenn Benko zu Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen Umfeld gute Kontakte pflegte: Heute will sich niemand mehr auf die Seite des gescheiterten Immobilienunternehmers stellen.

Hinter der vermeintlichen Ruhe sollen aber auch strategische Überlegungen stehen: Gerüchten zufolge hätten einige rote und schwarze Parteigranden ihre jeweiligen U-Ausschuss Fraktionen um Jan Krainer und Andreas Hanger zur Mäßigung gerufen. Denn dass der Wunsch nach einer Wiederauflage einer großen Koalition in Teilen von SPÖ und ÖVP groß ist, ist kein Geheimnis mehr. Zu viel verbrannte Erde aus den U-Ausschüssen wäre wohl hinderlich für eine schwarz-rote Wiedervereinigung.

... im Rot-blauen-Machtmissbrauch-Ausschuss dafür umso mehr

Ganz anders verhält es sich mit der FPÖ: Dass die Volkspartei nicht mit Herbert Kickl koalieren will, werden prominente Türkise von Kanzler Karl Nehammer abwärts nicht müde zu betonen. Längst scheint die Volkspartei die FPÖ als Hauptgegner für den nahenden Wahlkampf auserkoren zu haben – wohl auch in der Hoffnung, blaue Stimmen zu halten, die unter Kurz in Richtung ÖVP gewandert waren. Selbst ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, normalerweise kaum um scharfe Worte verlegen, gestand kürzlich ein, dass man sich eine Koalition mit der SPÖ noch eher vorstellen könne als eine mit der Kickl-FPÖ. Diese sei nämlich „ein Stück weiter“ nach rechts gerückt als die Sozialdemokratie unter Andreas Babler nach links. Vergangenen Sommer hatte Stocker die SPÖ noch auf dem „Weg nach Nordkorea“ gesehen.

Dass zwischen ÖVP und FPÖ auf Bundesebene derzeit Eiszeit herrscht, wird auch im Rot-blauen-Machtmissbrauch-Ausschuss deutlich. Bei den Ladungen setzt die Volkspartei auf prominente Namen, erschienen sind etwa schon FPÖ-Chef Kickl und dessen ehemaliger Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber. So ruhig die Cofag-Befragungen bisher abliefen, so hitzig ging es im rot-blauen Ausschuss zu, die Zulässigkeit unzähliger Fragen oder gleich die Verfassungsmäßigkeit des gesamten U-Ausschusses wurden angezweifelt und lähmende Geschäftsordnungsdebatten vom Zaun gebrochen. Auch wenn sich die Fraktionen immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen in die Haare gerieten, waren ÖVP und FPÖ bisher die klaren Protagonisten im Gerangel. Die SPÖ steht zwar sogar im Kurztitel des Ausschusses, spielte bis dato aber nicht einmal eine Nebenrolle.

Zahlreiche Absagen dominieren letzte Befragungstage

Noch je zwei Befragungstage haben die beiden U-Ausschüsse vor sich, für den Cofag-Ausschuss sind diese bereits kommenden Mittwoch und Donnerstag anberaumt. Die Unternehmer Sigi Wolf und Wolfgang Pierer, Ex-Minister Gernot Blümel und Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer haben bereits abgesagt, auf der Ladungsliste bleiben wohl Vizekanzler Werner Kogler, Finanzminister Magnus Brunner und ein Spitzenbeamter aus dem Finanzministerium übrig. Das Finale im Rot-blauen Ausschuss folgt dann am 7. und 8. Mai. Die Fraktionen wollen nicht nur FPÖ-Chef Kickl ein weiteres Mal laden, sondern auch Egisto Ott, der als zentrale Figur der Spionageaffäre aktuell in U-Haft sitzt, vorführen lassen. Ruhe dürfte also auch am Ende des rot-blauen Ausschusses nicht einkehren.

Gernot Blümel | Ex-Finanzminister Blümel hat abgesagt
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