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Finale im Mordversuch-Prozess gegen Autoraser in Wien

Finale im Mordversuch-Prozess gegen Autoraser in Wien

Mit der Erörterung mehrerer Gutachten ist am Dienstag am Wiener Landesgericht der Prozess gegen einen rücksichtslosen Autoraser fortgesetzt worden, der sich in der Nacht auf den 9. Dezember 2023 einer Polizeikontrolle entzogen und der Exekutive eine wilde Verfolgungsjagd quer durch die Stadt geliefert hatte. Dabei baute der 35-Jährige mehrere Unfälle, zwei Personen wurden schwer verletzt. Der Angeklagte war beim Prozessauftakt Mitte Juli zum Tötungsvorsatz nicht geständig.

Das bekräftigte der von Rudolf Mayer und Lukas Hruby (Kanzlei Arbacher-Stöger) verteidigte Mann nun erneut. Er wäre „durch eine Lücke durchgefahren“ und hätte „jederzeit bremsen können“, versicherte er den Geschworenen. Er habe gewiss keine Tötungsabsicht gehabt: „Ich hab‘ mir nix dabei gedacht.“

Der Mann war auf zwei Polizisten losgefahren, die sich dem Raser in den Weg gestellt hatten. Im Bereich Gaudenzdorfer Gürtel – Eichenstraße war eine Straßensperre errichtet worden, welcher der Raser auswich, indem er ein Fahrzeug touchierte und über eine Verkehrsinsel auf die Polizisten zusteuerte. „Ich bin vor ihm gestanden mit gezogener Schusswaffe und habe ‚Stop! Polizei! Halten!‘ gerufen,“ gab einer der Beamten später zu Protokoll. Der Autofahrer sei „mit voller Geschwindigkeit über die Verkehrsinsel drübergezogen. Ohne Rücksicht auf mich. Es war ihm einfach wurscht. Er hätte mich zu hundert Prozent komplett niedergestreut“.

Die Beamten brachten sich im letzten Augenblick in Sicherheit, indem sie zur Seite sprangen. Wie ein verkehrstechnischer Sachverständiger nun darlegte, war der Jaguar zu diesem Zeitpunkt nicht – wie ursprünglich von der Staatsanwaltschaft angenommen – mit 70 bis 80 km/h, sondern mit maximal 30 km/h unterwegs. Bei einer Kollision mit den Polizisten wäre bei dieser Geschwindigkeit „mit schweren, in der Regel aber nicht tödlichen Verletzungen zu rechnen“ gewesen, sagte Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp.

Der Angeklagte hatte sich am 8. Dezember von seinem Cousin einen über 20 Jahre alten, nicht mehr für den Verkehr zugelassenen Jaguar gekauft. Dabei besaß der Kfz-Mechaniker gar keinen Führerschein mehr – der war ihm 2017 wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen worden. Bei der allerersten Ausfahrt erregte er die Aufmerksamkeit einer Zivilstreife. Die Polizeibeamten nahmen an einer Kreuzung am Mariahilfer Gürtel wahr, wie der Mann am Steuer lässig seinen linken Arm mit einem Joint in der Hand aus dem geöffneten Seitenfenster baumeln ließ. Sie bemerkten auch Cannabisgeruch und wollten daher den Lenker einer Kontrolle unterziehen. Daraufhin stieg dieser aufs Gaspedal und fuhr den Polizisten davon, die die Verfolgung aufnahmen.

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In weiterer Folge übersetzte der 35-Jährige trotz Rotlichts mehrere Kreuzungen mit weit überhöhter Geschwindigkeit und brachte andere Verkehrsteilnehmer und Fußgänger in Gefahr, die vorschriftsmäßig bei Grün die Fahrbahn überquerten. Der Staatsanwalt legte das als vorsätzliche Gemeingefährdung aus – die körperliche Unversehrtheit von zumindest zehn Personen sei in Gefahr gewesen. Der 35-Jährige war zu diesem Anklagepunkt geständig.

Dasselbe galt für eine ihm vorgeworfene grob fahrlässige Körperverletzung zu Lasten eines Radfahrers. Den hatte der Angeklagte am Matzleinsdorfer Platz erfasst, indem er ihm ins Hinterrad fuhr und zu Sturz brachte. Dass der 46-Jährige einen Helm trug, dürfte ihm das Leben gerettet haben. Der Radler prallte mit dem Kopf gegen einen harten Gegenstand – vermutlich den Asphaltboden – und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, aber keine Knochenbrüche. Der Helm, der bei dem Unfall zerstört wurde, habe „wahrscheinlich ein tödliches Schädel-Hirn-Trauma und einen Schädelbruch verhindert. Der Helm hat ihm unter Umständen das Leben gerettet“, bemerkte Gerichtsmediziner Klupp.

Am Landstraßer Gürtel war der Raser schließlich auf die Gegenfahrbahn geraten und setzte seine Fahrt als Geisterfahrer fort. Er krachte in einen ihm entgegenkommenden Pkw, in dem sich eine vierköpfige Familie befand. Die Mutter, die am Beifahrersitz saß, wurde schwer verletzt. Sie erlitt Brüche mehrerer Brustwirbel und eines Halswirbels sowie einen Kreuzbandriss und Außenmeniskusriss am rechten Knie. Lebensgefahr bestand für die 52-Jährige aber keine. Auch zu dieser schweren Körperverletzung bekannte sich der Angeklagte nun schuldig.

Erst nach dieser Kollision war der Jaguar endlich zum Stillstand gekommen. Der Lenker versuchte noch zu flüchten, wurde aber von der Polizei gefasst. Wie sich herausstellte, war der Mann erst am 12. Jänner 2023 in Tschechien nach Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Im Frühjahr 2019 hatte man ihn in Brno (Brünn) ohne Führerschein mit einer erheblichen Menge an Cannabis und mehreren Pistolen sowie einer Kalaschnikow im Kofferraum erwischt. Auch damals hatte er sich einer Polizeikontrolle zu entziehen versucht und sich mit der tschechischen Polizei eine gefährliche Verfolgungsjagd quer durch Brno geliefert. Er wurde dafür unter anderem wegen Gemeingefährdung, Suchtmitteldelikten, illegalen Waffenbesitzes und weiterer Vergehen zu sieben Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung der Strafhälfte wegen guter Führung vorzeitig entlassen.

Nach einer Mittagspause folgen am Landesgericht für Strafsachen die Schlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Danach ziehen sich die Geschworenen zur Beratung über Schuld und Strafe zurück. Mit der Urteilsverkündung dürfte keinesfalls vor 17.00 Uhr zu rechnen sein. Ausgeschrieben ist die Verhandlung bis 19.00 Uhr. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem 35-Jährigen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

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