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dpa
Datum
12.11.2024
Nach dem Antisemitismus-Eklat auf der Documenta Fifteen soll die Weltkunstausstellung in Kassel ein beratendes Gremium bekommen. Welche Hoffnung steckt dahinter?
Nach dem Antisemitismus-Eklat auf der Documenta Fifteen sollen bei der Weltkunstausstellung in Kassel neue Strukturen etabliert werden. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss eine Änderung des Gesellschaftervertrags der documenta gGmbH. Dazu zählt die Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirats, wie es in einer Mitteilung der Stadt heißt.
Das sechsköpfige Gremium solle zur fachlichen Beratung und Unterstützung des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung dienen, hieß es. Es solle aktuelle gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurse aufgreifen, die fachlich-kuratorische Vernetzung der Documenta gGmbH fördern sowie "internationale, weltöffnende und plurale Perspektiven" einbringen.
Hessens Kunstminister Timon Gremmels (SPD) begrüßt die Einrichtung. "Ich freue mich über den positiven Verlauf der Neuaufstellung der Documenta", sagte Gremmels der Deutschen Presse-Agentur. "Die Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirats war eine der Empfehlungen der Organisationsuntersuchung, der sich der Aufsichtsrat einhellig angeschlossen hatte."
Das Gremium könne eine wichtige Schnittstelle zu aktuellen Diskursen sein und sowohl die gesellschaftlichen als auch fachlichen Debatten in die Documenta hineintragen, sagte Kunstminister Gremmels. "Ich bin zuversichtlich, dass wir für den Beirat herausragende Expertinnen und Experten gewinnen können." Er blicke voller Zuversicht auf den Prozess der Vorbereitung der documenta 16 und freue sich darauf, wenn während der Ausstellung die internationale Kunstwelt in Kassel zu Hause sei.
Kassels Oberbürgermeister sieht Organisation gestärkt
Die Stadtverordnetenversammlung stimmte überdies für die Erweiterung des Aufsichtsrates der Gesellschaft um drei zusätzliche Mitglieder. So sollen zwei Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die vorsitzende Person des Wissenschaftlichen Beirats als nicht stimmberechtigtes Mitglied hinzukommen. Mit den Änderungen sei die Organisation nun für kommende Documenta-Ausstellungen "deutlich gestärkt und ertüchtigt, um souverän und angemessen kritisch im Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit und Schutz der Menschenwürde zu agieren", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende der Documenta-Gesellschaft, Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller, laut Mitteilung.
Die Documenta Fifteen im Jahr 2022 war von Antisemitismus-Diskussionen überschattet worden. Bereits vorher waren erste Stimmen laut geworden, die dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Kurz nach der Eröffnung der Schau wurde eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgehängt. Später lösten weitere Werke scharfe Kritik und Forderungen nach einem Abbruch der Ausstellung aus.
Zur Aufarbeitung hatte der Aufsichtsrat der Documenta gGmbH eine Managementberatung mit einer Organisationsuntersuchung beauftragt. Diese leitete aus den Ergebnissen unter anderem die Empfehlung zur Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats ab. Die Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Die 16. Ausgabe ist vom 12. Juni bis 19. September 2027 geplant.