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Kolumne von Mario Buchinger Robotik und KI: Höher, schneller, besser?

Kolumne von Mario Buchinger Robotik und KI: Höher, schneller, besser?

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Seit Jahrzehnten gelten neue und moderne Technologien als der Renner im Produktionsumfeld und darüber hinaus. Die Hoffnungen sind immer ähnlich: Mehr Produktivität, mehr Effizienz, mehr Profit. Und das alles bei gleichzeitigem Abbau von Aufwand. Können diese Hoffnungen erfüllt werden?

Der Mensch ist von Natur aus eine faule Lebensform. Das ist uns evolutionär angelegt, weil es dazu dient Energie zu sparen. Routinierte Abläufe oder das Weglassen von (scheinbar) überflüssigen Tätigkeiten spart Energie und darauf sind wir als Säugetier auf diesem Planeten geprägt. Jedoch funktioniert das nicht immer. Innovation, Verbesserung und Weiterentwicklung sind nicht möglich, wenn man ständig in Routinen und alten Strukturen verharrt.

Nur durch das Einsetzen neuer Technologien entsteht nicht zwangsläufig etwas Neues oder gar Besseres. Wenn wir ein neues Smartphone bekommen, das über neue, bessere Funktionen verfügt, ändern wir deshalb nicht automatisch unsere Gewohnheiten. Womöglich verbringen wir noch mehr Zeit mit diesem Endgerät. Eine Verbesserung ist daraus nicht unbedingt zu erwarten. So ähnlich ist es auch bei Industrieprozessen.

Ein weiteres oft beobachtetes Phänomen ist die Fokussierung auf Methoden ohne zu verstehen, warum man diese braucht. Besonders digitale Technologien sind hier nicht ungefährlich. Führt man neue Technologien ein, ohne zuvor den Prozess zu verstehen, zwängt man einen Prozess in eine Methodik (hier Technologie). Dies kann zur Folge haben, dass der Prozess nicht mehr hinreichend gut den Kundenanforderungen folgt. Ein schlechter Prozess, den man mit digitalen Technologien – und erst recht mit KI – ergänzt, wird ein noch schlechterer Prozess, weil dieser an Komplexität zunimmt und im Fall von KI sogar noch fehlerhafter werden kann.

Bevor wir also über neue Technologien reden, müssen wir erst einmal verstehen, was wir mit dem jeweiligen Prozess überhaupt erreichen wollen und wie dieser aussehen muss. Dann können neue Technologien an den Stellen eingesetzt werden, wo diese hilfreich sind.

Besonders KI ist hier Fluch und Segen. Man kann selbstverständlich KI verwenden, um einen Prozess weiter- oder neu zu entwickeln. In diesem Fall muss das Ergebnis allerdings hinterfragt und geprüft werden. Dafür braucht es im Vorfeld ein gemeinsames Verständnis, was genau erreicht werden soll. Sie sehen, es gleicht einer Art Zirkelschluss, denn KI nimmt uns den Aufwand der Verbesserung nicht komplett ab.

Natürliche Intelligenz (NI) ist eine Voraussetzung, damit KI einen Mehrwert hat. Am Ende müssen wir uns immer wieder klar machen, dass es in der Wirtschaft um Menschen geht. Diese tun etwas für andere Menschen, die Produkte und Dienstleitungen nutzen. Ohne die Einbettung in menschliche Strukturen sind alle Industrieprozesse Selbstzweck und damit langfristig wertlos.

Mario Buchinger

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