Monopol

"Meine Großeltern haben immer nach vorn gesammelt"

"Meine Großeltern haben immer nach vorn gesammelt"
Das Gebäude der Langen Foundation auf der Raketenstation Hombroich in Neuss
Das Gebäude der Langen Foundation auf der Raketenstation Hombroich in Neuss

Datum
03.05.2024

Museen

Vor 20 Jahren zeigte die Langen Foundation ihre erste Ausstellung, zum Geburtstag ist Kunst aus der ganzen Sammlerfamilie zu sehen. Karla Zerressen ist Geschäftsführerin und Enkelin der Gründerin. Ein Gespräch über ansteckende Kunstleidenschaft

Anlässlich ihres runden Geburtstags zeigt die Langen Foundation in der Ausstellung "20 Jahre Langen Foundation. Drei Generation – Eine Leidenschaft" Bilder aus der Sammlung von Viktor (1910–1990) und Marianne Langen (1911–2004), aber auch Werke aus dem Besitz ihrer Kinder und Enkelkinder. Karla Zerressen ist die Geschäftsführerin der Foundation auf der Raketenstation Hombroich in Neuss und Enkeltochter der Gründerin.

Karla Zerressen, vor 20 Jahren fand das erste Mal eine Ausstellung in der Langen Foundation statt. Was wird nun in der Jubiläumsschau zu sehen sein?

Die Ausstellung zum Jubiläum ist definitiv unsere bisher persönlichste. Wir zeigen Werke aus der Sammlung meiner Großeltern, aber auch Bilder von uns Kindern und Enkelkindern. Diese Ausstellung soll zelebrieren, dass wir alle mit Kunst leben und Kunst lieben. Deshalb dauert sie auch nicht so lange, weil die Werke wirklich aus unseren Wohnzimmern, Schlafzimmern und Esszimmern kommen und wir jetzt alle leere Wände in unseren Häusern haben.

Die Sammlung ihrer Großeltern umfasst heute mehrere hundert Werke, zusammengetragen aus vielen verschiedenen Ländern. Wie kann man sich die Sammlertätigkeit von Viktor und Marianne Langen in der Nachkriegszeit vorstellen?

Tatsächlich ging die Sammelleidenschaft bei den beiden Hand in Hand mit einer großen Reiseleidenschaft. Meine Großmutter ist zum Beispiel schon in den 1930-er Jahren allein mit dem Schiff nach Ceylon (heute Sri Lanka Anm. d. Red.), China und Japan gereist – als unverheiratete Frau. Sie hatte auch eine Ausbildung als Fotografin absolviert und war sehr kunstinteressiert. Als sie meinen Großvater kennenlernte, war sofort klar, dass die Kunst eine gemeinsame Passion ist. Beim Sammeln entschieden sie immer aus dem Bauch heraus und hatten nicht als Ziel, möglichst gewinnbringend etwas später wieder zu verkaufen.

Ihre Großeltern haben also als Team gesammelt?

Auf jeden Fall. Es gibt eine Anekdote in der Familie um eine Pariser Galerie, bei der meine Großeltern vorher einen Plan besprochen hatten: "Erst gehst du rein, dann geh' ich und wir sagen, welches Kunstwerk uns am besten gefällt." Sie haben beide auf dasselbe Bild gezeigt. Fast alle Käufe haben die beiden gemeinsam entschieden.

Viktor und Marianne Langen haben vor allem zeitgenössische Kunst gekauft, aber auch eine bedeutende Sammlung von japanischer Kunst aufgebaut.

Ja, die beiden haben immer nach vorn gesammelt. Meine Großmutter hat noch mit Ende 80 junge Künstler auf der Art Cologne entdeckt. Und mit Ende 80 hat sie auch das Modell von Tadao Ando für die Raketenstation in Neuss gesehen und entschieden, dass sie das umsetzen will. Sie wollte so gern, dass die Japansammlung ins Rheinland kommt und hat dafür einen Platz gesucht.

Das Ausstellungshaus des japanischen Architekten hat ihre Großmutter einmal als ihr größtes Kunstwerk beschrieben.

Genau. Sie hatte zuerst gehofft, dass ein Pavillon auf der Insel Hombroich für die Japansammlung frei wäre. Das war nicht der Fall. Aber es gab ungewöhnlicherweise schon einen Entwurf von Tadao Ando für ein Ausstellungshaus auf dem Gebiet der alten Raketenstation – nur gab es keinen Bauherrn. Meine Großmutter hat eine Nacht darüber geschlafen und am nächsten Tag entschieden: "Das will ich machen!". Ich denke, das war Schicksal, es hat genau gepasst.

Warum hat sich Ihre Großmutter damals dazu entschlossen, ihre Privatsammlung öffentlich auszustellen?

Sie war der Meinung, dass Kunst dazu da ist, um geteilt zu werden. Sie wollte vor allem die Japansammlung öffentlich zugänglich machen und in dem großzügigen Bau von Tadao Ando haben dann viele weitere Werke Platz gefunden. Auch in der jetzigen Jubiläumsausstellung stellen wir private Kunst von insgesamt zwölf Familienmitgliedern aus. Wir wollen damit aber nicht zeigen, was wir haben, sondern wollen es mit den Besuchern teilen. Deshalb haben wir auch nicht dazu geschrieben, wem welches Werk gehört. Es soll um die Kunst gehen und nicht darum, wer was besitzt. Bis heute denken auch wir, dass Privatsammlungen in der Öffentlichkeit gezeigt werden sollten.

Ihre Großeltern haben Ihnen ein großes Erbe hinterlassen. Darunter sind neben europäischer Kunst auch die Japansammlung und viele Werke aus Teilen Afrikas, aus Indien oder Kambodscha. Werden Sie als Foundation heute mit Vorwürfen der kulturellen Aneignung konfrontiert?

Wir bekommen eher positive Rückmeldungen. Neulich erst von einem Sammler aus Japan, der meinte, dass er es bedeutend fand, dass der Zugang zu dieser Kunst hier in Europa gewährt wird. Natürlich wäre es heute nicht mehr möglich, solche Werke in der Form nach Deutschland zu bringen. Aber ich finde, wir haben heute die Aufgabe, diese Japansammlung und auch die anderen Objekte in Europa zu zeigen.

Wie setzen Sie sich als Ausstellungshaus mit dieser außereuropäischen Kunst auseinander?

Das Rautenstrauch Joest Museum in Köln hat kurz vor der Eröffnung der Langen Foundation die komplette außereuropäische Sammlung ausgestellt und aufgearbeitet. Meine Großeltern haben sich zudem sehr mit den jeweiligen Kulturen auseinandergesetzt. Mein Großvater hat ganze Aufsätze verfasst und immer gesagt, dass Länder wie Indien und Kambodscha uns weit voraus sind. Die beiden haben vor allem aus Bewunderung zur Kunst und Kultur der Länder, die sie bereist haben, Werke erworben. Wir setzen uns damit heute aber natürlich auch auseinander, zum Beispiel im Rahmen von Vorträgen oder Leihgaben und Einsicht für Wissenschaftler.

Ihre Großmutter hat die Eröffnung der Langen Foundation nicht mehr erlebt. Hat Sie Ihnen neben der Kunst auch ihre Sammelleidenschaft vererbt?

Die Liebe zur Kunst hat sich in der ganzen Familie durchgesetzt. Ich selbst umgebe mich mit Kunst und lebe mit Kunst, aber ich würde mich nicht als Sammlerin bezeichnen. Auch meine Kinder suchen sich schon ganz bewusst aus, welche Kunst sie in ihren Kinderzimmern haben wollen. Man kann also sagen, wir alle wurden mit der Leidenschaft zur Kunst angesteckt.

Wird die Langen Foundation auch in Zukunft in der Familie bleiben?

Die Langen Foundation ist ein echtes Herzensprojekt von uns. Ich leite sie gemeinsam mit meiner Mutter, Sabine Langen-Crasemann, die Jubiläumsausstellung hat meine Schwester Sandra von Halem mitkuratiert. Meine eine Tochter ist einen Monat älter als die Langen Foundation. Beide meiner Töchter und auch die Kinder meiner Schwester identifizieren sich sehr mit dem Haus. Ich sehe also gerade kein Ende.

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