Weiter Diskussionen um Dokumentarfilm "No Other Land", die Kunst-Vorlieben der Millionäre und Trauer um Frank Auerbach: Das ist unsere Medienschau am Mittwoch
Debatte
Die Debatte um den Dokumentarfilm "No Other Land" hört nicht auf. Auf der Berlinale wurde das Werk über die israelische Besatzung des Westjordanlandes von Yuval Abraham, einem Israeli, und Basel Adra, einem Palästinenser, mit einem Bären geehrt. Mehrere einseitig propalästinensische Statements während der Preisverleihung hatten im Februar für einen Eklat gesorgt. Nun kommt der Film in die Kinos, und Regisseur Yuval Abraham beschwerte sich in den sozialen Medien darüber, dass "No Other Land" in der Beschreibung auf dem Hauptstadtportal "Berlin.de" als Film mit "antisemitischen Tendenzen" beschrieben wurde. Wie Christiane Peitz im "Tagesspiegel" schreibt, ist die Formulierung inzwischen gelöscht, und das Land Berlin hat sich entschuldigt und auf einen externen Dienstleister verwiesen. Peitz sieht in dem Vorfall jedoch ein Symptom der gegenwärtigen Diskussionen, die sich immer mehr zu verselbständigen scheinen: "Der Nahostkonflikt spitzt sich durch Vereinfachungen, Ungenauigkeiten und falsche Zuschreibungen nur weiter zu. Auch dem Antisemitismus auf Demos in Deutschland wie bei anderen Anlässen lässt sich mit Vagheiten, Verkürzungen und Fehlurteilen nicht beikommen. Das genaue Hinschauen, die Wahl der Worte ist oft entscheidend."
Nachruf
"Malerei war für ihn Kampf, Ungenügen und sehr häufig auch: völliger Neubeginn." Das schreibt Stefan Trinks in seinem Nachruf auf den britischen Maler Frank Auerbach, der im Alter von 93 Jahren gestorben ist. Ausführlich schildert Trinks in der "FAZ" das "siebzig Jahre andauernde Leiden des Künstlers am Bild", das er aus Auerbachs Biografie ableitet. "Frank Auerbach, der seit 1947 die englische Staatsbürgerschaft besaß, darf als bedeutendster Maler Englands gelten. Geboren aber wurde er 1931 in Berlin. 1939 kam er als Flüchtlingskind aus Nazideutschland nach London, die Eltern wurden beide deportiert und von den Nationalsozialisten in Auschwitz getötet. Er war eines von sechs Kindern, die von der englischen Schriftstellerin Iris Origo gerettet wurden, was eine spukhafte Fernwirkung hatte: Jahrzehnte später widmete W. G. Sebald, ebenfalls nach England exilierter Schriftsteller, Auerbach ein Kapitel in seinem Buch 'Die Ausgewanderten', in dem der Künstler wenig verbrämt als 'Frank Aurach' firmierte, was Sebald später in 'Max Ferber' umwandelte. Dass Auerbach jedes Malen eines lebendigen Gesichts zugleich erleichtertes Überleben und belastendes Erinnern bedeuten konnte, scheint nachvollziehbar." Auch die "SZ" und die "NZZ" würdigen Auerbach mit einem Nachruf.
Markt
Was Millionäre sammeln, wo sie kaufen und welche Entwicklungen der Kunstmarkt einschlägt – das ermittelt der "Survey of Global Collecting", den die Art Basel und ihr Hauptsponsor, die Großbank UBS, herausgeben. Markus Woeller hat sich für die "Welt" die aktuelle Erhebung angeschaut, in der Chefanalystin Clare McAndrew auf die Vermögensmillionäre (Menschen, die über mindestens eine Million Euro liquides Kapital verfügen) an der Spitze des Marktes fokussiert. Insgesamt befinde sich der Markt in einer Flaute, und es gäbe auch keine Anhaltspunkte für eine Wende des Abwärtstrends. "Geopolitische Spannungen, Inflation und hohe Zinsen würden die Stimmung der gesamten Branche wie ihrer solventen Kundschaft belasten. Das habe eine Umfrage unter 3660 Privatpersonen ergeben. Deren Ausgaben (unter anderem für Kunst) hätten sich im Jahr 2023 um gut 32 Prozent verringert, bei jüngeren HNWI – vermögenden Millenials – sogar um 50 Prozent", schreibt Woeller. "In der Befragung wurden sowohl quantitative als auch qualitative Daten erhoben. Die beliebteste Gattung im Kunsthandel sind Gemälde, sie machen mehr als drei Viertel der Kunstkäufe aus. Arbeiten auf Papier wie Zeichnungen und Drucke verzeichneten einen Anstieg von 33 Prozent gegenüber dem Jahr 2022. Die von Kritikern gern verhöhnte 'Flachware', die man an der Wand aufhängen kann, ist und bleibt also das Medium für Sammler wie für Investoren – auch das eine Erkenntnis, auf die inzwischen auch Galerien reagieren (müssen), die eher ein Konzeptkunst-Programm haben. Ein Absatzmarkt, den erst Corona geschaffen hatte, habe sich etabliert: Online-Viewing-Rooms. 72 Prozent der HNWI haben Kunstwerke über diese digitalen Plattformen gekauft, ohne sie im Original gesehen zu haben. Aber auch der Anteil von Instagram als Verkaufswerkzeug wachse, ebenso die Bereitschaft neuer Galerien, zu kaufen. Auch die Anzahl der Galerien, bei denen Millionäre kauften, sei von 13 auf 18 gestiegen."
Ausstellung
Eine Überblickschau in Bern mit zehn bedeutenden Kunstschaffenden und rund 130 Werken bietet erstmals in der Schweiz einen umfangreichen Einblick in die moderne Kunst Brasiliens. Philipp Meier hat sich die Schau für die "NZZ" angesehen. "Wie die Avantgarde in Europa strebten auch Kunstschaffende in Brasilien danach, den vorherrschenden, aus Portugal importierten akademischen Kunstkanon des 19. Jahrhunderts zu überwinden. Künstler aus wohlhabenden Familien oder mit Reisestipendien suchten den Austausch mit europäischen Strömungen. Zurück in Brasilien setzten sie sich mit Traditionen und Themen auseinander, die sie als 'ihre eigenen', als brasilianisch definierten: indigene Bräuche, durch die Sklaven eingeführte afro-brasilianische Kultur, die ethnische Pluralität. Die Auseinandersetzung mit dem europäischen Expressionismus, Futurismus und Kubismus indes ist in ihren Werken nicht zu übersehen. Besonders augenfällig wird das nun im Zentrum Paul Klee, dem Schweizer Museum eines Idols vieler brasilianischer Kunstschaffender."
Das besondere Kunstwerk
"Crazy interventions" – so nannte der Schriftsteller und Dramatiker Samuel Beckett seine Ausflüge in Fernsehproduktionen. Sieben der zwischen 1966 und 1985 für den Süddeutschen Rundfunk (SDR) entwickelten TV-Stücke sind jetzt in einer Ausstellung im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart zu sehen, die Verena Harzer in der "Taz" bespricht. "Die beiden Ausstellungskuratoren, der irische Künstler Gerard Byrne und die ebenfalls irische Kuratorin Judith Wilkinson, haben sich ein interessantes Präsentationsformat überlegt: Obwohl für den Fernsehbildschirm produziert, werden die Fernsehspiele in kinosaalartigen Kuben auf große Leinwände projiziert. Das intensiviert ihre Wirkung: Die Protagonisten treten dem Zuschauer in Lebensgröße entgegen. Die bedrückenden Szenenbilder setzten sich in den dunklen Kinosälen fort. Der Betrachter ist dem langsamen Erzählrhythmus und der formalen Strenge der Inszenierung ganz ausgeliefert", schreibt Harzer. "Unweigerlich stellt sich die Frage, ob sich ein heutiges Fernsehpublikum überhaupt noch auf die handlungsarmen Produktionen einlassen würde. Ohne auf einen der vielen weiteren Sender oder andere digitale Angebote auszuweichen, ohne sich vom Summen, Blinken oder Klingeln des Handys ablenken zu lassen?"