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Ein Schiedsgericht spricht der OMV 230 Mio. Euro Schadenersatz von Gazprom zu. Die OMV rechnet den Betrag gegen Lieferverpflichtungen auf, was eine Unterbrechung der russischen Gaslieferungen auslösen könnte. Doch dank alternativer Quellen wie norwegischem Gas und LNG sieht sich die OMV gut vorbereitet. Klimaministerin Gewessler betont: Österreich kann ohne russisches Gas auskommen.
Ein Schiedsgericht hat der österreichischen OMV im Rechtsstreit mit dem russischen Energiekonzern Gazprom Schadenersatz in Höhe von 230 Millionen Euro plus Zinsen und Kosten zugesprochen. Dieser Betrag wird laut OMV unmittelbar mit den Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gazprom Export aus dem bestehenden österreichischen Liefervertrag verrechnet. Wie das Unternehmen am Abend mitteilte, könnte dies jedoch zu einer Unterbrechung der russischen Gaslieferungen führen. Die OMV betonte jedoch, auf ein solches Szenario gut vorbereitet zu sein.
OMV setzt auf alternative Gasquellen
In den vergangenen Monaten hat die OMV ihre Gasversorgung diversifiziert und die Abhängigkeit von russischem Gas erheblich reduziert. Das Unternehmen nutzt mittlerweile verstärkt Gaslieferungen aus Norwegen sowie Flüssigerdgas (LNG). „OMV bekräftigt, dass das Unternehmen die vertraglich zugesicherten Gasmengen an seine Kunden auch im Fall einer möglichen Lieferunterbrechung von Gazprom Export beliefern kann“, erklärte die OMV. Die Gasspeicher seien derzeit zu über 90 Prozent gefüllt, was eine solide Grundlage für die Wintermonate biete.
Der Konflikt mit Gazprom Export entstand aufgrund unregelmäßiger Lieferungen sowie der vollständigen Einstellung der Gaslieferungen nach Deutschland im September 2022. Der zugesprochene Schadenersatz soll laut OMV den im Jahr 2022 entstandenen finanziellen Schaden teilweise ausgleichen. Sollte Gazprom als Reaktion auf die Verrechnung des Schadenersatzes die Lieferungen einstellen, rechnet die OMV mit geringen einmaligen Hedging-Verlusten. Diese Verluste würden jedoch durch den zugesprochenen Betrag „deutlich überwogen“. Potenziell könnten Gaslieferungen von bis zu 5 Terawattstunden (TWh) pro Monat betroffen sein.
Politik ruft zur Unabhängigkeit von russischem Gas auf
Bereits im Juli erklärte OMV-Chef Alfred Stern, dass das Unternehmen nicht mehr auf russisches Gas angewiesen sei. Der Bezug wurde stark reduziert, obwohl die OMV weiterhin an einen langfristigen Liefervertrag mit Gazprom gebunden ist, der sie verpflichtet, das Gas abzunehmen. Sollte Gazprom die Lieferungen einstellen, wäre dies eine Möglichkeit für die OMV, aus dem Vertrag auszusteigen. Auch ein vollständiges Ende der Gaslieferungen durch die Ukraine – wie von der ukrainischen Regierung ab Jahresbeginn angedroht – würde Russland vertragsbrüchig machen und der OMV den Ausstieg erleichtern. „Das Szenario, dass kein Gas aus Russland mehr nach Österreich kommt, hat inzwischen seinen Schrecken verloren“, so die OMV.
Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Plattform X (ehemals Twitter) als „ernst zu nehmen, aber keine unmittelbare Gefährdung für unsere Versorgungssicherheit“. Österreich könne und werde langfristig ohne russisches Gas auskommen. Allerdings wies sie darauf hin, dass eine plötzliche Unterbrechung der Lieferungen die Gasmärkte belasten könnte: „Alle Gasversorgungsunternehmen sind aufgerufen, ihre Abhängigkeit von russischem Gas schnellstmöglich zu beenden“, so Gewessler weiter.
E-Control: Keine Gasmangellage in Österreich erwartet
Die Energieregulierungsbehörde E-Control geht davon aus, dass Österreich auch bei einem möglichen Lieferstopp von Gazprom Export keine Gasmangellage droht. „Sollte die OMV nach dem Schiedsgerichtsspruch Zahlungen einbehalten und Gazprom Export die Lieferungen nach Österreich stoppen, dann würden die vielen Maßnahmen, die man in Österreich getätigt habe, dazu führen, dass die Gasversorgung die nächsten beiden Winter gesichert sei“, erklärte E-Control-Vorstand Alfons Haber am Donnerstag gegenüber der APA.
Haber verwies darauf, dass die Gasspeicher in Österreich und anderen EU-Ländern zu über 90 Prozent gefüllt sind. Zusätzlich könne Österreich anstelle von Pipeline-Gas aus der Ukraine mit Flüssigerdgas (LNG) über Deutschland und Italien beliefert werden. Diese Diversifizierung der Lieferwege stellt sicher, dass ausreichend Gas zur Verfügung steht, auch wenn Gazprom Export seine Lieferungen einstellt.
Ob und in welchem Umfang ein möglicher Lieferstopp die Gaspreise beeinflussen könnte, ließ Haber offen. Derzeit liegt der Preis für eine Megawattstunde Erdgas an der Börse bei etwa 45 Euro. Spitzenwerte wie Mitte 2022, als die Preise auf über 300 Euro stiegen, erwartet er jedoch nicht.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Österreich umfassende Maßnahmen zur Sicherung der Gasversorgung ergriffen. Dazu zählen die Diversifizierung der Gaslieferungen und der Aufbau einer strategischen Gasreserve. „Alle Maßnahmen zusammen führten dazu, dass es laut Szenarienrechnungen bis Mai 2026 zu keiner Gasmangellage kommen würde“, betonte Haber. Die Pipelinekapazitäten aus Deutschland und Italien seien ausreichend, um russische Gaslieferungen vollständig zu ersetzen.