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Digitalisierung Digitalisieren in der Krise

Digitalisierung Digitalisieren in der Krise

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Warum Unternehmen Digitalisierungsprojekte gerade in Zeiten von wachsendem Kostendruck nicht auf die lange Bank schieben sollten. Und was sie beachten müssen, damit das Vorhaben tatsächlich gelingt.

Inhalt

Digital transformation technology strategy, digitization and digitalization of business processes and data, optimize and automate operations, customer service management, internet and cloud computing

Zu beschönigen gibt es nichts. Auch für das kommende Quartal sehen Prognosen die österreichische Industrie in einem schwierigen Umfeld. Unsichere globale Lage, strukturelle Umbrüche und hohe Energiekosten werden den Kostendruck weiter steigern, zugleich bleibt es in vielen Bereichen schwer, geeignetes Personal zu finden. In derart fordernden Zeiten neue Projekte zu starten, mag auf den ersten Blick gewagt scheinen.

Doch geht es um Digitalisierung, stellt sich die Situation anders dar. „Digitalisierungsprojekte sind schon lange nicht mehr Domäne von einigen wenigen Innovatoren und Early-Adoptern“, urteilt Christian Rauch, Partner bei Deloitte Österreich und unter anderem Leiter des neuen Deloitte Standorts in Vorarlberg. „Sie sind inzwischen viel mehr Voraussetzung, um im Spiel zu bleiben. Unternehmen, die auf Effizienzgewinne durch Digitalisierung verzichten, werden es in absehbarer Zeit schwer haben, ihre Marktposition zu halten.“

Digitalisierung braucht langen Atem

Zugleich darf Digitalisierung aber auch nicht als eine schnelle Akutmaßnahme gegen die Krise missverstanden werden. „Digitalisierungsprojekte sind fast immer auch Change-Projekte. Damit sie Erfolg haben, braucht es in aller Regel mehr als nur die Implementierung einer Technologie-Lösung. Der dafür nötige Aufwand an Zeit und Personal wird häufig unterschätzt“, berichtet Anna Nowshad, ebenfalls Partnerin bei Deloitte Österreich und unter anderem für den Bereich Future of Work zuständig.

Dass die Komplexität von Digitalisierungsprojekten für viele Unternehmen eine Herausforderung ist, belegt auch der neue Deloitte Digital Transformation Survey 2024. Für diese Studie wurden im Herbst diesen Jahres 300 Führungskräfte in Österreich befragt. Immerhin scheitern in Österreich im ersten Anlauf beinahe zwei Drittel aller Digitalisierungsprojekte – meist in Teilbereichen, manchmal auch zur Gänze. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Immer wieder passiert es aber, dass die technische Seite von Digitalisierungsvorhaben überbetont, ihre strategische Anbindung hingegen vernachlässigt wird.

Digitalisierung ist ein Strategiethema

Ein gutes Beispiel, an dem das sichtbar wird, sind Projekte im Bereich ERP. Schon die Wahl der richtigen Software ist dabei, entgegen einer möglichen ersten Vermutung, alles andere als ein rein technologisches Thema. „Das wird aber oft übersehen“, erklärt Christian Rauch. „Und es führt dementsprechend zu Rückschlägen und unbefriedigenden Lösungen.“

Denn letztlich, sagt Rauch, kann auch die allerbeste Technologie nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie zu den Prozessen im Unternehmen passt. Und beides, Prozesse und Technologie, müssen ihrerseits zu den Menschen passen. „In diesem Dreieck bewegen wir uns als Deloitte Berater:innen und das unterscheidet uns von anderen, stärker technologisch ausgerichteten Anbietern“, sagt Rauch. Zudem stelle man immer gemeinsam mit den Kunden auch die Frage, welche konkreten Verbesserungen ein Digitalisierungsvorhaben bringen soll. Denn solange dieser Punkt nicht geklärt ist, falle es schwer, das richtige Set-Up zu finden.

Deloitte-Experten Anna Nowshad und Christian Rauch

Digitalisierung ist ein Führungsthema

Für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten ist überdies auch ein klares Committent seitens der Führungsebene zentral, ergänzt Anna Nowshad. „Das bedeutet nicht nur, dass Führungskräfte solche Projekte in ihrer Bedeutung anerkennen und unterstützen müssen, sondern dass sie auch eine Unternehmenskultur fördern sollten, die Fehler zulässt und sie nicht sofort mit Sanktionen belegt.“ Denn Digitalisierungsvorhaben funktionieren nur selten auf Anhieb. Je offener mit Fehlschlägen umgegangen wird, je stärker sie als Lernchancen gesehen werden, desto steiler wird die Lernkurve.

In vielen Unternehmen ist aber auch eine Verständnislücke zwischen Strategen und Technologen ein Grund, warum Digitalisierungsvorhaben nicht vorankommen. Denn nicht immer funktioniert die interne Kommunikation so, dass der Nutzen einzelner Digitalisierungsprojekte auch für Nicht-Spezialisten erkennbar wird. „Hier ist oft viel Übersetzungsarbeit nötig. Das ist ein Bereich, in dem externe Berater:innen sehr hilfreich sein können“, erklärt Christian Rauch.

Digitalisierung ist ein Kommunikationsthema

Ebenso wichtig ist aber auch, dass die Mitarbeitenden die Projekte überzeugt mittragen. In jedem Unternehmen gibt es zwar einerseits digitalisierungsaffine Personen, die als Multiplikator:innen eine wichtige Rolle spielen, andererseits aber auch Zweifler:innen. Mit deren Vorbehalten und Ängsten angemessen umzugehen, ist für den Erfolg von Projekten unverzichtbar, betont die Expertin Anna Nowshad. „Wichtig dabei ist vor allem, zu erkennen, warum Mitarbeitende skeptisch sind. Das kann an einem simplen Mangel an Informationen ebenso liegen wie an emotionalen Faktoren, etwa der Sorge, wie sich der eigene Arbeitsplatz verändern wird.“

Auch die Angst davor, nicht Expert:in genug zu sein, um bei Digitalisierungsvorhaben mitreden zu können, spielt bei zurückhaltenden Reaktionen eine Rolle. „Dieses Phänomen beobachten wir oft und quer über alle Unternehmensebenen“, sagt Nowshad. Die Unterstützung durch Berater:innen kann in diesem Kontext unter anderem auch darin bestehen, ein Allgemeinverständnis darüber herzustellen, was konkret gemeint ist, wenn im Rahmen eines Projekts über Buzz-Words wie etwa KI, Big Data oder Edge Computing gesprochen wird: „Da gibt es eine große Unsicherheit. Viele Menschen glauben all diese Begriffe kennen zu müssen und trauen sich nicht nachzufragen, wenn sie es nicht tun.“

Digitalisierung ist ein Vertrauensthema

Ein Klima zu schaffen, in dem solche Unklarheiten ausgeräumt werden, sei ein wichtiges Puzzlestück, wenn es darum geht, Digitalisierungsprojekte erfolgreich auf den Weg zu bringen. Das bestätigt auch Christian Rauch. Denn Digitalisierungsprojekte brauchen, wie er betont, Vertrauen: „Digitalisierung greift ja in die unterschiedlichsten Bereiche eines Unternehmens ein und man hat dabei oft nicht nur mit sensiblen Daten zu tun, sondern eben auch mit sensiblen Fragen der Personalführung.“

Aus seiner Sicht, sagt Rauch, habe ein Digitalisierungsprojekt und die dazugehörige Beratung, daher dann besonders gute Erfolgschancen, wenn die Kooperation so offen wie möglich erfolgt. Dann gelingt es, jenes Wissen, das externe Expert:innenen mitbringen, für die Transformation zu nutzen. Dass das immer wieder passiert, zeigen aktuelle Zahlen aus dem Deloitte Digital Transformation Survey 2024. Demnach haben 59 Prozent der befragten österreichischen Unternehmen bei der Umsetzung von digitalen Projekten mit externen Beratern zusammengearbeitet, eine sehr deutliche Mehrheit davon, nämlich 86 Prozent, empfand die Zusammenarbeit als hilfreich oder sogar sehr hilfreich.

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