
Kurt Egger, Mediensprecher der ÖVP, über Kooperation und Kompromisse im Medienpaket der Koalition.
••• Von Dinko Fejzuli
Aus drei mach eins – so könnte das Motto bei den Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gelautet haben: Ob es speziell beim Medienpaket schwierig war und wer sich am Ende durchgesetzt hat, oder auch nicht, darüber sprach medianet ausführlich mit Kurt Egger, Mediensprecher der ÖVP
medianet: Herr Egger, bevor die ÖVP erneut mit der SPÖ und den Neos in Koalitionsverhandlungen getreten ist und diese am Ende auch erfolgreich abgeschlossen hat, haben sie 43 Tage mit der FPÖ verhandelt, auch über ein Medienpaket. Wo hätte man sich dabei mit der FPÖ geeinigt und wo nicht?
Kurt Egger: Wir haben mit der FPÖ vieles im Medienbereich besprochen, aber wir hatten bei sehr vielen Themen ganz unterschiedliche Zugänge. Wenn man sich die letzten Monate und Jahre anschaut, ist es nicht ganz überraschend, dass die FPÖ eine andere Vision von Medienpolitik hat, als der Rest der Parteien in Österreich. Die Volkspartei hat sich immer klar zu Medienvielfalt, Medienfreiheit und Qualitätsjournalismus bekannt, weil das eine wesentliche Säule der Demokratie ist. Wir waren da auch in den Verhandlungen mit den Freiheitlichen sehr deutlich, etwa, als es um die Medien-Förderinstrumente gegangen ist, die wir in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben. Wir wollten diese evaluieren und ausbauen, aber keineswegs abschaffen. Das wäre, gerade in diesen herausfordernden Zeiten, für viele Medien eine echte Existenzfrage.
medianet: Abschaffen wollte die FPÖ vor allem die ORF Haushaltsabgabe, um den ORF künftig aus dem Budget zu finanzieren – und wie manche meinen, um ihn so quasi über ein finanzielles Gängelband besser unter Kontrolle halten zu können. Wie stand die ÖVP zur Idee der FPÖ?
Egger: Beim ORF hätte es seitens der FPÖ im ersten Schritt den Wunsch nach einer deutlichen Reduzierung der ORF-Gebühr gegeben und dann die Finanzierung aus dem Budget. Dafür gab es seitens der Volkspartei keine Zustimmung. Auch bei der Budgetfinanzierung gab es eine gewisse Skepsis, weil der ORF dann sehr regierungsabhängig wäre und man müsste das Geld dann auch noch im Budget aufstellen. In Zeiten wie diesen nicht gerade einfach. Wir von der ÖVP bekennen uns klar zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wollen diesen aber schlanker, effizienter, transparenter, digitaler und regionaler machen.
medianet: Zu den im Regierungsprogramm erwähnten Effizienzwünschen Richtung ORF kommen wir noch. Aber zunächst noch zum ORF selbst. Wie stehen Sie zu den damaligen Wünschen der FPÖ, zum Beispiel den Radiosender FM4 abzudrehen oder das ORF-Programmangebot unter Umständen zu verschlanken und etwa ORF III oder ORF sport plus abzuschaffen?
Egger: Ich glaube, es sollte eine klare Trennung zwischen Politik und Geschäftsführung geben. Insofern, dass die Politik für die Finanzierung sorgt und dann die Geschäftsführung inklusive Stiftungsrat über die Anzahl der Fernsehkanäle, Radioprogramme und andere Angebote entscheidet. Zudem muss der ORF überlegen, was man sich mit den Vorgaben leisten kann und was man sich leisten muss. Hier müssen Prioritäten gesetzt werden.
medianet: Der ORF fährt ja schon jetzt ein 320 Millionen-Sparprogramm und da haben Sie jetzt zusätzlich beschlossen, die Haushaltsabgabe für drei weitere Jahre einzufrieren. Es gibt also de facto weniger Geld für den ORF, gleichzeitig fordern Sie aber, dass der ORF mit diesem Geld zumindest das gleiche, wenn nicht mehr als aktuell macht. Wie soll sich das ausgehen?
Egger: Ich bin überzeugt, dass ein Unternehmen dieser Größe Möglichkeiten hat, sich über die Digitalisierung, über strukturelle Veränderungen und über moderne Anpassungen so zu entwickeln, dass es mit diesem Budget stemmbar ist. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass der ORF imstande ist, weiterhin diese Qualität und Informationsvielfalt zu bringen, die sie auch jetzt schon haben.
medianet: Sie befürchten also nicht, dass der ORF dann, wie bereits zu vernehmen war, Dinge, die nicht explizit im ORF-Gesetz stehen, nicht mehr macht?
Egger: Es ist eine Entscheidung der Geschäftsführung, was sie machen und was sie nicht machen. Man muss das unter zwei Gesichtspunkten sehen: Auf der einen Seite gibt es Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler, die mit ihrem Beitrag ermöglichen, dass es den ORF gibt. Der ORF muss gegenüber dem Publikum gewisse Leistungen erbringen, damit dieses bereit ist, diesen Beitrag zu leisten. Auf der anderen Seite gibt es auch private Medienhäuser, die in diesem Konzert eine Rolle spielen wollen. Als Politik müssen wir diesen Spagat schaffen und auch der ORF muss dementsprechend agieren. Daher steht auch im Regierungsprogramm ‚Mehr Kooperationen, mehr aufeinander zugehen'.
medianet: Kooperationen sind oft ein Weg, Kosten gemeinsam zu tragen und ORF und Private kooperieren auf verschiedenen Ebenen bereits jetzt. Sie wollen den ORF aber nun quasi per Gesetz zu Kooperationen verpflichten?
Egger: Ich will künftigen Verhandlungen nicht vorgreifen, aber es muss im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein, eine Akzeptanz zu haben gegenüber den Gebührenzahlern und gegenüber sonstigen Mitbewerbern im privaten Bereich. Das kann aus meiner Sicht mit Kooperationen gelingen, um qualitativ hochwertige Informationen im Sinne der Demokratie zu liefern. Denn am Ende des Tages sitzen alle Journalistinnen und Journalisten und Medientreibende im gleichen Boot beim Kampf gegen Fake News und Big Tech-Giganten.
medianet: Zur Bedrohung durch die Big Techs komme ich gleich, bleiben wir beim Thema Kooperation: Eine Idee ist es zum Beispiel, dass der ORF den Privaten seinen Content zur Verfügung stellt. Der ORF entgegnet, dass dieser mit öffentlichen Geldern finanziert wurde und jetzt einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen, das gewinnorientiert arbeitet, zur Verfügung gestellt werden soll. Warum soll eigentlich ein öffentlich-rechtlich finanziertes Unternehmen einem privatwirtschaftlichen Unternehmen Produkte zur Verfügung stellen, damit dieses damit wirtschaften kann?
Egger: Es wird jeder Haushalt dazu verpflichtet, seinen Beitrag zu leisten. Dadurch entsteht eine gewisse Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, anderen Marktteilnehmern Pakete zur Verfügung zu stellen. Es geht hier um die Grundlage der Demokratie, nämlich Medienvielfalt und wertvolle Informationen gezielt an unterschiedliche Zielgruppen zu liefern.
medianet: Die Bundesregierung will aber nicht nur mehr Kooperation, sie will auch die diversen Förderungen anhand einer ‚einheitlichen, inhaltlichen Strategie' weiterentwickeln, wie es im Regierungsprogramm heißt. Was meinen Sie damit konkret?
Egger: Wir haben den Digital-Transformationsfonds, die Qualitätsjournalismus-Förderung, die private Rundfunk- und Fernsehförderung und die Presseförderung, die alle gewissen Vergabekriterien unterliegen. Mit Weiterentwicklung meine ich, dass man sich nach einer gewissen Zeit die Erfahrungen der letzten Jahre anschauen muss, um die Kriterien, das Handling und die Notwendigkeit zu evaluieren. Denn letztlich muss es immer das Ziel sein, dass nicht eine Förderung für den wesentlichen wirtschaftlichen Erhalt der Medien ausschlaggebend ist, sondern dass diese auch selbst einen gewissen Marktwert haben. Sonst wären sie ja als Medium nur von der Finanzierung durch die Politik abhängig.
medianet: Weil Sie den Digitaltransformation-Fonds angesprochen haben: Der gilt nur für bestehende Medien, die sozusagen ins Digitale transformiert werden. Es gibt in Österreich aber etliche junge, bemerkenswerte Projekte – etwa tag eins oder Dossier – die von diesen Fördertöpfen ausgeschlossen sind. Wie wichtig ist es für Sie, solche Projekte auch zu fördern?
Egger: Wir haben im letzten Jahr mit der Podcastförderung einen ersten Schritt gemacht in dieses Neuland. Auch im jetzigen Regierungsprogramm bekennen wir uns dazu, nicht nur bestehende Medien, sondern auch Start-ups oder interessante Medienprojekte zu fördern. Um zu sagen, wie die Unterstützung genau ausschauen wird, ist es jetzt noch zu früh. Ich gehe aber davon aus, dass der Medienminister dafür Sorge tragen wird.
medianet: Bleiben wir gleich bei der aktuellen Situation, in der sich nun viele Medien befinden. Diese ist durchaus ernst, etliche Medien fahren Sparpakete und gleichzeitig fließt immer mehr Werbegeld zu Facebook, TikTok & Co. Aktuell sind es 2,6 Milliarden im Vergleich zu zwei Milliarden für alle anderen Medienveranstalter in Österreich zusammen. Manche sagen, um die Medienvielfalt zu erhalten, braucht es mehr Unterstützung durch den Staat, es ist manchmal sogar, analog zum ORF, von öffentlich-rechtlichen Printmedien die Rede. Wie sehen Sie diese Ideen und den Ruf nach noch mehr staatlicher Unterstützung?
Egger: Die Politik hat die Aufgabe, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Unternehmerische Entscheidungen sollen aber in der jeweiligen Verantwortung der Medienhäuser bleiben. Dennoch müssen wir alles dafür tun, dass diese Medienhäuser erhalten werden können. Internationale Entwicklungen, wie das Wachsen der Big Tech-Giganten, werden wir in Österreich nicht aufhalten können. Daher müssen wir sehr genau darauf achten, dass es für alle ein fairer Wettbewerb ist, und dass die Wertschöpfung nicht nur abfließt, sondern es auch Möglichkeiten gibt, in den heimischen Medienmarkt zu investieren. Das haben wir etwa mit der Digitalsteuer gemacht …
medianet: … die aber nicht zur Gänze zu den Medien, sondern zum Teil ins Budget fließt.
Egger: Ich gehe davon aus, dass in Zukunft zumindest ein größerer Teil in die Medien fließen wird, als er es jetzt tut.
medianet: Warum nicht alles, wie es VÖZ oder VÖP fordern?
Egger: Weil das am Ende des Tages eine politische Entscheidung ist.
medianet: Aber Sie sitzen dort, wo diese Entscheidungen getroffen werden.
Egger: Ich bin ein Teil einer Dreierkoalition.
medianet: Eine Frage noch zu den Digital-Giganten. Diese behaupten von sich selbst, sie seien Plattformen und keine Medien, sind es aber, wenn man sich etwa Facebook ansieht, unterliegen aber nicht den gleichen Regeln wie etwa heimische Medien während sie gleichzeitig mit Fake-News zur Zersetzung unserer Demokratie beitragen. Was könnte man auf nationaler Ebene tun, um den Kampf gegen etwa Fake News zu intensivieren?
Egger: In einem weltumspannenden Internet österreichische Grenzen aufzuziehen, wird realistischerweise nicht umsetzbar sein. Wir sind aber als Europa sehr wohl gefordert, hier klare Maßnahmen zu setzen. Das wird Österreich nicht alleine machen können, sondern hier muss die Europäische Union als starke Einheit auftreten und dagegenhalten.
medianet: Und sollte die öffentliche Hand überhaupt auf solchen durchaus problematischen Plattformen mit Content und eigenen Seiten präsent sein oder dort gar werben? VÖP und VÖZ fordern etwa bei den geplanten Einsparungen in der öffentlichen Kommunikation die Budget vor allem für diese digitalen Plattformen zu beenden.
Egger: Hier ist die zentrale Frage: Wo setze ich Steuergeld effizient ein, um auf der einen Seite mit dem Informationsgehalt durchzukommen. Und auf der anderen Seite: Wie kann ich Mittel einsetzen, um Medienvielfalt zu gewährleisten?
medianet: Bei der Frage des Durchkommens zu verschiedenen Bevölkerungsgruppen planen sie ja ein spezielles Abo für junge Menschen? Wie überzeugt sind sie davon, die Jugend dadurch zum Zeitunglesen zu animieren?
Egger: Die Idee dahinter ist, junge Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass es mehr als Instagram, TikTok und Co. gibt. Ich halte es für sehr wichtig, Medieninhalte in der Schule zur Verfügung zu stellen, damit junge Menschen mit Qualitätsmedien in Berührung kommen. So soll ihnen aufgezeigt werden, was Qualitätsjournalismus ist und wo man Informationen abseits von Social Media beziehen kann.
medianet: Bleiben wir noch bei den Ausgaben der öffentlichen Hand für Kommunikation: Diese Ausgaben werden ja in der Medientransparenzdatenbank veröffentlicht. Nach langer Kritik ist vor einiger Zeit die Bagatellgrenze für Ausgaben unter 5.000 Euro gefallen, es muss nun jeder Cent veröffentlicht werden. Wo genau sehen Sie hier Änderungsbedarf?
Egger: Das Medientransparenzgesetz war ein großer Schritt, um darzustellen, wofür öffentliche Ausgaben verwendet werden. Die Nachschärfung soll niedrige Beträge betreffen. Das ist ein Wunsch aus der Praxis, weil aktuell muss man alles, ab dem ersten Cent, anmelden. Dadurch ist sehr viel Bürokratie entstanden und manche Einheiten stöhnen unter der Last, alles eintragen zu müssen. Uns geht es nicht darum, die Grenze wieder auf 5.000 Euro anzuheben, sondern eine praxistaugliche Variante für niedrige Beträge zu finden.
medianet: Last but not least, kommen wir zum aktuell omnipräsenten weißen, oder eher besser gesagt, digitalen Weißen Elefanten im Raum, der Künstlichen Intelligenz. Manche fürchten sich vor KI, andere sehen sie als große Chance, und dritte sagen wiederum, sie wird Dinge ersetzen oder ergänzen. Wie sieht die Position der Bundesregierung hier aus, vor allem wenn es um das Thema Regulieren geht?
Egger: Die Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen eine große Hilfe, und in anderen Bereichen eine große Gefahr. Überall dort, wo sie gefährlich sein kann, etwa bei Fake News, muss gewährleistet sein, dass Konsumentinnen und Konsumenten erkennen können, ob eine Information durch Künstliche Intelligenz erstellt wurde oder nicht. Um das erkennen zu können, muss die Bevölkerung sensibilisiert werden. Das fängt an bei den Kleinsten, die damit aufwachsen und denen das in der Schule vermittelt wird. Aber man muss auch Bevölkerungsgruppen, die nicht sehr technikaffin sind, berücksichtigen. Hier sehe ich es zum Beispiel als Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, alle Bevölkerungsgruppen über die Gefahren und Herausforderungen aufzuklären.
medianet: Frage zum Schluss: Wenn man sich das komplette Medienkapitel ansieht, wo erkennt man die Handschrift der ÖVP am deutlichsten?
Egger: Es geht nicht darum, wer was durchgesetzt hat und wo die eigene Handschrift stärker oder schwächer ist. Es geht, gerade im Medienkapitel, um das gemeinsame Verständnis. Ich denke, alle drei Parteien haben ein sehr starkes Interesse an der Medienvielfalt, am unabhängigen Journalismus und am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich bin daher überzeugt, dass es eine gemeinsame Anstrengung wird, das zu erhalten und auszubauen, ohne dass irgendwo eine Handschrift erkennbar sein muss. Als Volkspartei müssen wir uns nicht in der Medienpolitik durchsetzen, sondern im Sinne der Demokratie handeln, damit wir bei der Grundlage unseres gemeinsamen Seins optimal aufgestellt sind.