Monopol

"Weimer liebt seine Feindbilder"

"Weimer liebt seine Feindbilder"
Monopol Medienschau
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Weimers greller Kulturkampf-Appell fällt auf ganzer Linie durch, Heiner Friedrichs Privatmuseum schließt und eine Bilanz der Kölner Frühjahrsauktionen: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Der Gastbeitrag zur Kunstfreiheit von Wolfram Weimer in der "SZ" wird von den Feuilletons als totaler Flop und Nebelkerze verrissen. Der Kulturstaatsminister beklagte darin eine "radikal-feministische, postkoloniale, ökosozialistische Empörungskultur" und sieht die Kunstfreiheit vor allem durch linke Kräfte bedroht (siehe unsere Medienschau von Donnerstag). Gerrit Bartels wirft Weimer im "Tagesspiegel" vor, rechte Kulturkämpfer nur pro forma zu erwähnen, während seine eigentliche Kritik einseitig gegen links gerichtet sei. Weimer fordere zwar Differenzierung, differenziere selbst aber kaum: "Weimer liebt seine Feindbilder". Bartels sieht in dem Beitrag den Versuch, konservative Kulturpolitik durchzusetzen – unter dem Vorwand, die Freiheit zu retten. Ulrike Knöfel wirft dem Kulturstaatsminister im "Spiegel" vor, sich in altbekannten kulturkritischen Erzählungen zu verlieren: "Sein Thema: der globale Kulturkampf. Seine Meinung dazu: leider nicht ganz neu, genau genommen sogar etwas angestaubt." Weimers Empörung über die Entfernung einer Venusstatue aus einer Berliner Behörde nennt sie "ein Akt kulturferner Ignoranz" – nicht etwa, weil sie die Kritik an der Figur teilt, sondern weil er zentrale Fakten auslässt: Die Skulptur wurde nach einem Hinweis der Gleichstellungsbeauftragten der Behörde nicht "verbannt", sondern an ein Museum übergeben. Knöfel sieht in Weimers Rhetorik eine paradoxe Haltung: "Er wirft allen um sich herum Dämonisierung vor und betreibt sie selbst." Weimers Ruf nach Weitung der "Korridore des Sagbaren" gelte offenbar nicht für Gleichstellungsbeauftragte. Weimer werfe laut Dirk Knipphals in der "taz" alles "in einen Topf": Trump, China, Harvard, Dieter Nuhr und J.K. Rowling – ohne Machtverhältnisse oder Kontexte zu unterscheiden. Statt differenzierter Analyse betreibe er "Kulturkampf" im Namen einer vermeintlich bedrohten bürgerlichen Mitte. Die Gleichsetzung von sensitivity reading mit autoritärer Zensur sei Ausdruck einer verkürzten Debatte, in der Weimer laut Knipphals letztlich selbst "zum Kulturkämpfer" werde. In der "Zeit" merkt Dirk Peitz an, dass Weimer eher lose Anekdoten als tragfähige Argumente liefert. Gleichzeitig bleibe unklar, wie der Staat sich laut Weimer verhalten soll – dieser solle "sich inhaltlicher Einmischung enthalten" und nur als "Mäzen" auftreten. Peitz kommentiert ironisch, Weimer hole "das Tafelsilber abendländischer Aufklärung hervor", ohne jedoch ein konkretes kulturpolitisches Konzept zu präsentieren. Stattdessen inszeniere er sich selbst als Verteidiger der Freiheit, während er kulturelle Debatten mit altbekannten Phrasen füttere.

Museen

Hannes Hintermeier sieht in der "FAZ" die Schließung des privaten Kunstmuseums Das Maximum in Traunreut als schweren Verlust für die deutsche Kulturlandschaft. Er nennt das Museum einen "kulturellen Leuchtturm", der nun erlischt. Der 87-jährige Stifter Heiner Friedrich habe sich wortkarg verabschiedet, was Hintermeier als Ausdruck einer fehlenden Verantwortung deutet. Die Stiftungsvorsitzende Corinna Thierolf betont, das Museum sei kein gewöhnlicher Ort gewesen, sondern einzig der Kunst gewidmet. Trotz Gesprächsbereitschaft Friedrichs und wohlwollender Unterstützung von Stadt und Landkreis sei keine öffentliche Partnerschaft zustande gekommen. Kulturminister Markus Blumes Hoffnung auf künftigen Zugang zur Sammlung klingt für Hintermeier wie eine leere Floskel.

Die Kölner Frühjahrsauktionen zeigten in wirtschaftlich angespannten Zeiten solide Ergebnisse, bilanziert Christiane Fricke im "Handelsblatt". Van Ham überzeugte mit moderner und zeitgenössischer Kunst, darunter zwei Andy-Warhol-Siebdrucke aus der Bayer Collection, die ihre Erwartungen erfüllten und hohe Zuschläge erzielten. Insgesamt kamen bei zwei Evening Sales mehr als elf Millionen Euro zusammen, mit einer Verkaufsquote von 79 Prozent. Besonders gefragt war spanische Nachkriegskunst sowie Werke von Henry Moore und Manolo Millares. Lempertz erzielte mit Oskar Schlemmer den einzigen Millionenzuschlag, wobei der höchste Preis für eine Schlemmer-Komposition bei 1,38 Millionen Euro lag. Trotz einer angespannten Marktlage zeigten beide Häuser stabile Umsätze und positive Signale für den Kunstmarkt, so Fricke.

Julia Halperin berichtet in der "New York Times" über den "Rediscovery Industrial Complex", bei dem Galerien und Kunstberater vergessene Künstlerinnen der Vergangenheit, vor allem Frauen of Color, für den Kunstmarkt neu entdecken. So hat die Kunstberaterin Saara Pritchard zusammen mit den Töchtern der Malerin Marcia Marcus deren umfangreiches Werk aus dem Lager geholt und einer zeitgenössischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Marcus, einst in den 60er und 70er Jahren aktiv, wird heute mit Preisen von bis zu 400.000 Dollar gehandelt. Pritchard betont, dass man beim Reboot „etwas suchen müsse, das man kennen sollte, aber nicht kennt“. Die Wiederentdeckung erfordere intensive Recherche, sorgfältige Vermarktung und das Erzählen der passenden Geschichte zum richtigen Zeitpunkt, um die Künstler*innen dauerhaft im Kunstkanon zu verankern.

In "ArtNews" bezeichnet Alex Greenberger die Kunst von Schauspieler Adrien Brody als "scheußlich" und fragt: "Warum reden wir überhaupt noch darüber?" Brodys Ausstellung "Made in America "in der New Yorker Eden Gallery versuche sich zwar an Zitaten aus der Pop-Art, doch "Brodys Monroe-Gemälde sind eher hässlich", ihre Oberflächen wirkten "billig und entweiht". Dennoch sei er von Medien wie der "New York Times" (siehe Medienschau vom Mittwoch) oder "Cultured" gelobt worden – was Greenberger auf Brodys Prominentenstatus zurückführt: "Berühmtheit verleiht den Leuten meist eine gewisse Aura." Während Brody sich als gesellschaftskritischer Künstler inszeniere, etwa mit Bildern von Marilyn Monroe oder Basquiat, sieht Greenberger darin missglückte Anleihen und grobe Symbolik. Ein aktuelles Monopol-Interview mit dem Schauspieler lesen Sie hier.

Film

Rachel Pronger sieht in "ArtReview" Leni Riefenstahl als "Post-Truth"-Pionierin, deren Propagandafilme für das NS-Regime eine verzerrte, faschistische Bildsprache entwickelten, die mit moderner Technik manipulierte. Der Anlass für den Text ist die Veröffentlichung des Dokumentarfilms "Riefenstahl" des deutschen Regisseurs Andres Veiel, der zwei Jahrzehnte nach dem Tod der Regisseurin erschienen ist. Der Film bietet neue Einblicke in ihr Leben, ihre Nähe zum NS-Regime und ihre Rolle als Propagandafilmerin – basierend auf bisher unveröffentlichtem Material (eine Monopol-Besprechung des Films lesen Sie hier, ein Monnopol-Interview mit Veiel hier). Trotz Beweisen für ihre Nähe zu Nazi-Verbrechen stellte sich Riefenstahl als unschuldiges Opfer dar und leugnete ihre Verantwortung. Pronger sieht in Riefenstahls Manipulationen ein Vorbild für heutigen Rechtspopulismus und Fake News, die komplexe Realität durch einfache, emotionale Mythen ersetzen. Riefenstahls Werk und ihr Umgang mit der Vergangenheit zeigten, wie faschistische Ästhetik und Verdrängung bis heute wirksam bleiben – eine Warnung vor dem Wiedererstarken rechter Ideologien.

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