Monopol

Der Sommer klingt nach Nervenzusammenbruch

Der Sommer klingt nach Nervenzusammenbruch
Ein Fahrrad des US-Roller- und Fahrradvermieters Lime
Ein Fahrrad des US-Roller- und Fahrradvermieters Lime

Der Sommer hat ein neues Geräusch – und es ist alles andere als idyllisch. Statt Eiswagen-Gebimmel oder Freibad-Gekreische dominiert das nervenzerrende Piepen gecrackter Leihfahrräder die Stadt. Eine Symphonie in E-Schrott

Es gibt in unseren Großstädten einen neuen Klangteppich, der sich wie eine unerwünschte Spotify-Werbung über den Sommer legt. Kein Vogelgezwitscher, kein ferner Propellersound am blauen Himmel, nicht mal das spießige Klirren von Aperol-Gläsern. Stattdessen: Piep-piep-piiiiiep, metallisch, schrill, kurz vorm Nervenzusammenbruch. Der Sommer 2025 hat seinen Soundtrack gefunden – und er kommt nicht von Bad Bunny, sondern von gecrackten Lime-Fahrrädern.

Auf TikTok kursieren Anleitungen, wie man die E-Bikes illegal und kostenlos in Gebrauch nehmen kann. Offenbar ist das nicht besonders schwer, nur dass die Räder dann piepsend protestieren, während verwegene Jugendliche auf ihnen durch die Innenstadt rauschen. Aber was heißt "piepsen". Es ist eher Hilfeschrei als Alarm: "Aua, mein Akku leidet!" – "Sportsfreund, das ist Vandalismus" – "Bitte nicht wieder nachts zu sechst bergab auf dem Gehweg!".

Besonders unheimlich: Das Gepiepe klingt so sehr nach Bernhard Herrmanns ikonischem Duschszenen-Score aus Alfred Hitchcocks "Psycho" mit seinen Glissando aus schrillen, stechenden Streicherklängen. Das illegale Mikromobilitäts-Spektakel erinnert an eine Szene aus den "Simpsons", in denen es immer wieder Anspielungen auf Herrmanns "The Murder" gibt: In der Folge "Terror at 5½ Feet" sieht Bart ein Monster, dazu erklingt das spannungsvolle "Murder"-Stakkato – es ist aber nur ein "Psycho"-Soundtrack spielendes Orchester in einem vorbeifahrenden Bus.

So wie Bart geht es uns nun jeden Tag: Momente sinnlos mit anschwellender suspense vollgepumpt, während doch nur Teenager auf dem Weg zu den nächsten Randalen vorbeischlingern. "Nietzsche umarmte in Turin ein geschlagenes Pferd, um die Grausamkeit der Welt zu bannen", schrieb Milan Kundera in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Die japsenden Lime-Bikes, einst grün vor Hoffnung auf urbane Mobilität, erinnern mittlerweile auch an geschundene Droschkengäule, die man herzen möchte vor lauter Mitleid. Alle "Grausamkeit der Welt" liegt in ihrem Alarmsound.

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