Monopol

"Zeichnen heißt, dass ich noch am Leben bin"

"Zeichnen heißt, dass ich noch am Leben bin"
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monopol/dpa

Datum
12.06.2025

Debatte

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Die palästinensische Cartoonistin Safaa Odah, eine Feature über Künstlerinnen der DDR, und der neue Kulturstaatsminister verortet sich im politischen Spektrum: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) appelliert an mehr Zusammenhalt in Deutschlands politischer Mitte. "Wenn ich mir die AfD in ihrer Größe, Feistheit und latenten Aggressivität im Bundestag anschaue, fühle ich mich Sozialdemokraten und Grünen viel näher", sagte der 60-Jährige, der bei Friedrich Merz (CDU) im Kanzleramt angesiedelt ist, der "Zeit". "Weil wir ein Bewusstsein für die Kraft des Arguments haben. Dafür, dass das Gegenüber vielleicht recht haben könnte", sagte Weimer. "Demokraten glauben an das Argument, Antidemokraten an das Ressentiment. Das ist ein großer Unterschied." Weimer erläutert in dem "Streit"-Interview der "Zeit" mit Bascha Mika seine Sicht auf die Weltpolitik: "Die vier großen Weltmächte – China, Russland, Indien und die USA – bewegen sich in Richtung Autoritarismus und Nationalismus. Oder sind dort sogar bereits angekommen. In diesen Ländern werden Freiheitsräume auf eine Art und Weise attackiert, wie wir uns das nicht vorstellen konnten." Weimers Fazit für Deutschland: "Angesichts dieser Bedrohung verlieren unsere Unterschiede in der politischen Mitte an Bedeutung." Weimer ist seit ein paar Wochen Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. Dem Autor des Buches"Das konservative Manifest" wurde öfter vorgehalten, ein neoliberaler Rechtskonservativer zu sein.

Beim Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Documenta in Kassel forderten ehemalige künstlerische Leiterinnen und Leiter die absolute Freiheit der Kunst. Die Kuratorin der Documenta 13, Caroline Christoph-Bakargiev, betonte, dass eine demokratische Gesellschaft auch kontroverse Kunst aushalten müsse. Anlass war die Debatte um antisemitische Darstellungen auf der Documenta 15, die 2022 zu heftigen Kontroversen, Rücktritten und Vorwürfen von Cancel Culture führte. Jens Balzer kommentiert im Radio Eins, dass absolute Kunstfreiheit zwar ein hohes Gut ist, aber auch bedeutet, progressive Errungenschaften wie das Vermeiden diskriminierender Darstellungen infrage zu stellen. Wer absolute Freiheit fordert, reiht sich schnell in die Debatte um Cancel Culture und Wokeness ein, wobei die Begriffe unterschiedlich interpretiert werden. Balzer verweist auf Albert Camus, der absolute Freiheit als Herrschaft des Stärkeren kritisiert. Letztlich sei absolute Freiheit ohne Kulturkampf nicht denkbar und derzeit kaum durchsetzbar. "Nun sollte die progressive Kuratorin aber auch wissen, dass sie aus diesem Kampf gegenwärtig aber nicht mehr als die Siegerin hervorgehen wird."

Museen

Artur Walther, gebürtiger Neu-Ulmer und ehemaliger Investmentbanker, überträgt seine international renommierte "Walther Collection" an das Metropolitan Museum of Art in New York. In der "Augsburger Allgemeinen" erklärt Walther, ihm gehe es um sein Vermächtnis: "Ich will, dass meine Sammlung weiterlebt, dass sie gesehen wird." Die Sammlung, die seit 2010 auch in einem eigenen Museum in Burlafingen ausgestellt wurde, umfasst etwa 6500 Werke – viele davon von afrikanischen und asiatischen Fotografinnen und Fotografen wie Samuel Fosso oder Santu Mofokeng. Das Met, das bisher westlich fokussiert war, freue sich laut Direktor Max Hollein über die "außergewöhnliche" Ergänzung. Gezeigt werden die Werke unter anderem im neu eröffneten Rockefeller-Flügel und künftig im geplanten Tang Wing. Während in Burlafingen keine Ausstellungen mehr geplant sind, wird im Herbst in den Hamburger Deichtorhallen mit "Into the Unseen" nochmals eine Auswahl zu sehen sein. Monopol hat gerade mit Max Hollein über die Erweiterung des Mets gesprochen.

Porträt

Inmitten von Krieg und Vertreibung im Gazastreifen schöpft die palästinensische Cartoonistin Safaa Odah Kraft aus ihrer Kunst. In einem Porträt von Martin Gerner in der "FR" schildert Odah per Video aus einem Zelt in Al-Mawasi bei Chan Yunis ihre prekäre Lebensrealität: Sie lebe mit über zwanzig Personen, ohne Strom oder Wasser. Ihre Zeichnungen, oft auf kostbarem Papier, dokumentieren das Leid um sie herum – ohne politische Parolen, aber mit tiefem Mitgefühl. "Zeichnen heißt, dass ich noch am Leben bin", sagt sie. Ihr Buch "Safaa and the Tent", erschienen in Großbritannien, zeigt Figuren zwischen Zerstörung und Menschlichkeit. Ihre Arbeiten seien, so der palästinensische Karikaturist Mohammad Saba’aneh, "berührend, eindringlich" und lebten von persönlichen Erlebnissen. Trotz Gefahren durch Drohnen, Hunger und Überwachung bleibt Odah standhaft: "Ich möchte meine Stimme zu Gehör bringen", erklärt sie.

Kunstgeschichte

Künstlerinnen aus der DDR wurden lange übersehen – ihre Werke fanden kaum Eingang in Sammlungen oder Ausstellungen. Gabriele Stötzer berichtet in einem "Zeitfragen"-Feature von Deutschlandfunk Kultur: "Ich habe 20 Jahre nicht existiert. Da kannte mich kein Schwein.“ Frauen waren im DDR-Kunstbetrieb benachteiligt, Gleichberechtigung bedeutete meist nur gleiche Arbeit und Gehorsam. Viele Künstlerinnen arbeiteten mit dem eigenen Körper, da dieser als letztes Refugium eigener Kontrolle galt. Oppositionelle Künstlerinnen wie Stötzer wurden von der Stasi überwacht, isoliert und in ihrer Existenz bedroht. Wer nicht im offiziellen Verband war, hatte kaum Chancen auf Material, Ausstellungen oder Einkommen. Erst in den letzten Jahren werden DDR-Künstlerinnen durch Ausstellungen und Projekte wie "Medea muckt auf" sichtbarer, berichtet Feature-Autorin Natalie Kreisz. Museen bemühen sich, ihre Sammlungen zu erweitern, doch viele Werke lagerten bis vor kurzem noch unbeachtet in Privatwohnungen. Die Aufarbeitung bleibe eine wichtige Aufgabe für die Kunstgeschichte.

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